PG Vorspessart
November und Allerheiligen – Am 1. November beginnt ein Monat, der vielen als Monat des Todes gilt. Das hängt zunächst mit der Jahreszeit zusammen. Die Natur ruht. Sie liegt da wie tot und das Wetter macht im November mit seinen vielen nasskalten Nebeltagen auch nicht gerade den Eindruck sprühender Lebensfreude.

Es ist darum wohl auch kein Zufall, dass gerade in diesem Monat zahlreiche Gedenktage an den Tod erinnern.

Allerheiligen weist in die Zukunft

Das alles sind Tage, die uns rückwärts schauen lassen und den Tod in seinen vielen Formen thematisieren. In einem deutlichen Kontrast dazu steht das Fest Allerheiligen, das die Christen heute feiern. Dieses Fest blickt nicht zurück, es weist in die Zukunft; Allerheiligen feiert nicht das Ende, sondern die Vollendung. Das Fest bezeugt die christliche Zuversicht. Sie versteht den Tod nicht als Schlusspunkt, sondern deutet ihn als Tor in jene andere Wirklichkeit, die wir ewiges Leben nennen. Und das erhofft ein Christ nicht nur für einige wenige Auserwählte, er vertraut auf die Verheißung der christlichen Offenbarung, die von einer unermesslichen Zahl derer spricht, die als Gerettete am endgültigen Leben teilhaben dürfen (vgl. Johannes-Apokalypse 7,9).

Keine Belohnung für ein heroisches Leben

 vergrößernHochfest Allerheiligen am 1. 11. 2012 in Sailauf Martin Mahlmeister

Heiligkeit ist keine Belohnung für ein heroisches Leben. Heiligkeit ist das strahlende Licht Gottes, das sich in denen widerspiegelt, die sich in dieses Licht stellen, sich von Gott heilen und vollenden lassen. Heiligkeit ist Gottes Geschenk an die, die in ihrem Leben auf ihn bauten und sich dabei bewusst blieben, dass sie letztlich doch mit leeren Händen dem begegnen, der in der Bergpredigt verspricht: „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.“ (Matthäus 5,1). Früher bestimmte diese Verheißung das Leben der Menschen viel stärker. Heute erwartet, wenn man den Umfragen glaubt, nicht einmal mehr die Hälfte selbst der Christen ein Leben nach dem Tod. Dennoch aber ist die Sehnsucht danach viel lebendiger geblieben, als solche Umfragen zu erkennen geben.

Sehnsucht nach Mehr

Diese Sehnsucht nach Leben ist wohl ein guter Wegweiser, zeugt sie doch von der Kraft des Lebens und davon, dass dieses Leben sich niemals mit dem Tod abfinden kann. Das hat viele Gründe. Für den Christen ist der entscheidende, dass er daran glaubt, dass dieses Leben von Gott stammt und daher einen unzerstörbaren göttlichen Kern in sich trägt. So zerbrechlich und bedroht es auch ist, das Leben bleibt Gottes Gabe an seine Schöpfung und strebt nicht der Vernichtung entgegen, sondern will sich vermehren. Es lässt sich nicht unterkriegen.

Gott überrascht

Man muss nur einmal in die Natur schauen und sich von ihr belehren lassen. Der ungeheure Reichtum dieses Lebens, seine Zähigkeit und Widerstandskraft und die Vielfalt der Arten kann man nur bestaunen. Die Natur kennt kein Sterben. Was wir als Vergehen bezeichnen, das ist in Wahrheit eine Verwandlung zu neuem Werden und Blühen. Die christliche Hoffnung auf Auferstehung ist freilich kein ständiger Kreislauf von Geburt, Sterben und Wiedergeburt, ihr geht es um die Verwandlung in ein neues, endgültiges Leben bei Gott. Was die Natur uns nur ahnen lässt, das hat Gott auf eine ganz überraschende Weise bestätigt. Unsere Sehnsucht nach Leben auch im Angesicht des Todes ist darum alles andere als eine leere Illusion, sie führt uns vielmehr in Gottes Wirklichkeit.

Fest Allerheiligen zeigt die Richtung

Das Fest Allerheiligen am Beginn des Totenmonats November möchte uns daran erinnern und uns die Richtung zeigen für unseren Weg durch diese oft nicht nur in der Natur so tristen und gelegentlich auch entmutigenden Stunden unseres Lebens.

Dr. Dieter Katte

Deutschlandradio Kultur, Wort zum Tage 1.11.2010

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