PG Vorspessart

In einem neuen geistlichen Wort wendet sich Pfarrer Reuter an alle Mitchristen: Liebe Schwestern und Brüder in Christus, die drei österlichen Tage vom Leiden, Sterben und von der Auferstehung des Herrn liegen seit zwei Wochen hinter uns.

Dennoch möchte ich mit Ihnen noch einmal gedanklich zum Gründonnerstag zurückkehren.

An diesem 9. April vor 75 Jahren wurde in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer im bayerischen Flossenbürg erhängt. Er erlebte sich nicht als Heiligen. Mal erfuhr er sich überlegen und mutig, ein anderes Mal als äußerst unvollkommen, ängstlich und wenig mit sich selbst im Reinen. In seiner ausweglosen Lage und das Todesurteil vor Augen verfasste er einen Text, den wir in unserem Gebet- und Gesangbuch wiederfinden: «Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag» (Nr. 430/822). Für Dietrich Bonhoeffer gab es am 9. April 1945 nur noch einen «neuen Tag»: Jene Gewissheit unseres Glaubens, die wir in diesen österlichen Wochen – trotz (Ausgangs-)Beschränkungen – in besonderer Weise feiern. Es ist die Gewissheit, die diesen Blutzeugen des christlichen Glaubens und uns in die weiten Räume des unzerstörbaren ewigen Lebens führt.

Warum erzähle ich Ihnen von diesem Christenmenschen? – Am Ende der Ölbergandacht am Abend dieses Gründonnerstags wurde uns dieser Text Dietrich Bonhoeffers als Lied vorgeschlagen. Ich habe es durch einen glücklichen Zufall und entgegen meiner sonstigen Gepflogenheit in allen Strophen laut gesungen. Als sich der Klangteppich auf mich niedergelegte, wusste ich mich mit Ihnen, «all deiner Kinder hohen Lobgesang», im Raum der Kirche zutiefst vereint.

Ich möchte Sie mit diesem geistlichen Wort dazu einladen, in einer stillen Stunde des dritten Sonntags der Osterzeit ihre häusliche Osterkerze zu entzünden, diesen Liedtext (siehe oben) im «Gotteslob» aufzuschlagen und für sich in Ihrer augenblicklichen Lage zu bedenken und zu beten. Es wird darin erzählt von dem, was unsere Herzen quält und bedrückt. Zugleich wird uns auch jener volle Klang der Welt zugesprochen, die sich unsichtbar um uns weitet. Ostern gibt uns eine Ahnung davon und bestärkt uns in dieser Zuversicht. Diese Welt kündigt sich uns bereits im Hier und Heute an: Die Zeit nach der Corona-Krise.

Die Möglichkeit also, Schritt für Schritt und mit dem gebotenen Augenmaß in den Alltag zurückzukehren. Ein Alltag, der hoffentlich anders sein wird als vorher: bewusster, achtsamer, zufriedener und von Dankbarkeit geprägt. Ja! Wir haben ein verbrieftes Recht auf freie Religionsausübung, etwa in der gottesdienstlichen Versammlung. Wir haben jedoch auch als Kirche eine Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen und den derzeitigen Anforderungen an das öffentliche Leben.

Dietrich Bonhoeffer «singt» uns mit diesem Lied zu: Gott ist der Lebensraum, in dem wir aufatmen, uns bewegen und entfalten dürfen. ER ist das Wort, auf das wir achten, uns einlassen und verlassen können. ER ist das Du für uns, zu dem wir gehen und kommen, in dessen Arme wir uns allezeit fliehen und flüchten dürfen!

In dieser österlichen Zuversicht weiterhin mit Ihnen verbunden – für das Seelsorgeteam

Ihr Andreas Reuter, Pfarrer

 

Foto: Apfelblüte 2020, Susanne Mahlmeister

Apfelblüte

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