PG Vorspessart

Ein langes musikalisch geprägtes Leben ist zuende gegangen: Am 29. Oktober 2022 verstarb Hubert Fuß kurz nach seinem 86. Geburtstag.

Der gebürtige Laufacher spielte nebenberuflich an zahlreichen Kirchen im Umkreis die Orgeln und begleitete Gottesdienste. Vielen Schülerinnen und Schülern brachte er das Orgelspiel bei. In Sailauf spielte er die Orgel in den 1990er und 2000er Jahren.
Bis in die Zeit vor Corona kam er zu den Sailaufer Seniorentreffen im Bürgerzentrum, um dort die Lieder am Klavier zu begleiten. Mit der Installation der englischen Orgel im Dezember 2014 zog er sich mehr und mehr aus dem Organistendienst in St. Vitus zurück, da ihm die Umstellung auf das Instrument altersbedingt schwerfiel. Seit einigen Jahren lebte er im Curanum Bessenbach. Dennoch interessierte er sich weiterhin sehr für das kirchliche Leben ringsum und stand mit manchen Gemeindemitgliedern in Kontakt.

Die Pfarrei Sailauf wird ihn in guter Erinnerung behalten und ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Im Orgelspiel seiner Schülerinnen und Schüler lebt sein Werk fort – zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen.

Im Gespräch 2008:

Herr Hubert Fuß, Organist in Sailauf

Herr Fuß, Sie sind mit Leib und Seele Organist in unserer Pfarrei. Danke, dass Sie sich bereit erklärt haben, unseren interessierten Lesern und Gemeindemitgliedern einige Fragen zu beantworten.

Woraus ergab sich Ihr Interesse am Orgelspiel?

Mein Vater war Organist und Chorleiter in Laufach. Wenn er spielte, durfte ich mich neben ihn setzen. So ergab sich das unumstößliche Interesse, das auch zu lernen.

In welchem Alter haben Sie angefangen?

Nachdem ich schon im Alter von acht bis zehn Jahren Klavierunterricht bekommen hatte, hielt mich keine Macht der Welt davon ab, an die Orgel zu gehen. Somit hatte ich mit zehn Jahren den Kontakt zur Orgel. Das war 1946.

Wann haben Sie zum ersten Mal für die Gemeinde offiziell gespielt?

Mein erster offizieller Einsatz war eine Taufe in Laufach. Das war am 22. Februar 1948 für den Täufling Gebhardt Seubert. Dann durfte ich immer wieder mal eine Andacht spielen. Ab 1949 kamen dann Veranstaltungen für den Gottesdienst dazu. Kurze Zeit später wurde mir die Begleitung des Kirchenchores anvertraut.

Schildern Sie uns bitte ihren Werdegang zum Organisten!

Meinen ersten persönlichen Kontakt zur Orgel hatte ich mit zehn Jahren. Das war 1946, also kurz nach dem Krieg. Es war in dieser Zeit sehr schwer, einen Fachlehrer zu finden. Meine erste Einweisung bekam ich von Herrn Heinz Feller in Laufach, der auch als Organist den Kirchenchor begleitete. Bei ihm lernte ich die orgeltechnischen Grundkenntnisse und auch die Liturgie. Eine zerfledderte Orgelschule habe ich auch aufgetrieben. Aber diese Kenntnisse und viel Übung reichten aus, um Gottesdienste zu gestalten. Ich wollte aber auch Literatur spielen.

Erst mit 16 Jahren lernte ich anlässlich der Einweihung der Orgel in der evangelischen Petruskirche in Laufach den damaligen Direktor der Musikschule Aschaffenburg Herrn Dr. Karl Friedrich Leucht kennen. Nach einem intensiven Vorspiel wurde ich als Schüler aufgenommen. Ab jetzt gab es nur noch volles Programm Tag und Nacht. Literatur und Harmonielehre standen an erster Stelle. Drei bis vier Stunden täglich wurde geübt. Somit hatte ich mich bald an die Spitze seiner Schüler emporgearbeitet. Nach zwei Jahren wurde ich in den Konzertkreis der evangelischen Kirche übernommen.

Was war Ihre hauptberufliche Tätigkeit?

Bis 1965 war ich im elterlichen Geschäft in Laufach tätig. Ab dem 2. Januar 1966 wurde ich als Außendienstmitarbeiter bei der EDEKA Aschaffenburg eingestellt. Bei dieser Tätigkeit bin ich in 35 Jahren 2. 500 000 km gefahren.

In welchen Gemeinden und Kirchen waren bislang Ihre Einsätze als Organist?

Meine organistischen Einsätze waren in fast allen Gemeinden rund um Aschaffenburg und auch in der Stadt selbst. Gerne denke ich auch an besondere Einsätze zurück: Anlässlich eines Urlaubs in München-Riem übernahm ich die Vertretung des dortigen Organisten, der auch mal Urlaub machen wollte. Drei Wochen spielte ich in dieser Gemeinde das volle Programm. Damals war ich 18 Jahre alt. In Berlin spielte ich einmal eine Taufe in der Cannisius- Kirche.

Drei Orgel-Einweihungen wurden mir übertragen und zwar

in Laufach, eine „Weiss-Orgel“ mit drei Manualen,

in Hain, eine „Weiss-Orgel“ mit zwei Manualen,
in Obernburg in der evangelischen Kirche eine „Walker-Orgel“ mit zwei Manualen.

Seit wann spielen Sie in Sailauf die Orgel?

In Sailauf spiele ich seit Mai 1959 die Orgel. Zeitweilig wurde diese Tätigkeit durch Schüler übernommen. Diese waren Frl. Maria Reinhardt, Hildegard Deppisch und Elisabeth Maranca.

 

Welche Aufgabe hat Ihrer Meinung nach gute Orgelmusik im Gottesdienst?

Zunächst einmal ist es ein unglaublich weiter Weg, bis man gute Orgelmusik machen kann. Um überhaupt Organist werden zu können, braucht man eine gute elementare Grundausbildung am Klavier. Eine fundierte musikalische und technische Fertigkeit sollte vorhanden sein. An der Orgel selbst wird dann der literarische und liturgische Weg gelehrt.

Mit diesen Komponenten zusammen ergibt sich eine gute Orgelmusik, die die Gemeinde mit dem sakralen Geschehen zusammenfügt und zu einem Erlebnis werden lässt.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach einen guten Organisten aus?

Ein guter Organist hat ein intensives Studium in Literatur und Liturgie hinter sich. Um diese Kenntnisse in Bezug zur Kirche festigen zu können, sollte er ein gläubiger Mensch sein. Denn ein guter Organist braucht eine gehörige Portion Idealismus zum Instrument und zur Kirche. Er muss immer da sein. Ein guter Organist ist pünktlich und einigermaßen vorbereitet für die Aufgaben, die er im Gottesdienst mit der Gemeinde erfüllen soll. Ein guter Organist hat die Gemeinde spürbar in der Hand und führt sie charakterlich durch das Liedgut.

Was fasziniert Sie persönlich an der Orgelmusik – am Orgelspiel?

Meine Faszination an der Orgelmusik ist zunächst das Instrument selbst, denn die Orgel ist die „Königin der Instrumente“. Die Charakteristik zum Ausdruck der Kompositionen ist unglaublich vielfältig. Die Klangvielfalt der Register macht es möglich, die Literatur romantisch, barock, choralmäßig oder auch modern darzustellen. Es ist sogar möglich, die Orgel für sinfonische Dichtungen einzusetzen, wie das die großen französischen Organisten Charles-Marie Widor und Louis Vierne getan haben.

Meine Lieblingskomponisten sind Johann Sebastian Bach, Dietrich Buxtehude, AntonioVivaldi, Georg Friedrich Händel, Wolfgang Amadeus Mozart u.s.w. für den barocken Teil der Literatur, sowie alle französischen und englischen Komponisten, ebenso auch Max Reger für den romantischen Teil der Literatur.

Die absolut moderne Linie der Orgelmusik, in der kaum ein Dreiklang zu finden ist, liegt mir nicht. Denn man weiß bei diesen Interpretationen nicht – ist es die Putzfrau oder sonst ein Verzweifelter, der hier in die Tasten greift?

Einige meiner Lieblingsstücke sind zum Beispiel von Joh. Seb. Bach: Toccata und Fuge in d-moll, Präludium und Fuge in ES-Dur, Toccata- Adagio- Fuge in C-Dur. Von Buxtehude Präludien und Fugen, von Dubois: Toccata in G-Dur und Grande Choers, von Widor: Sinfonie Nr. 5, von Vierne: Sinfonie Nr. 1, von Boellmann: Suite Gothique, auch englische Orgelmusik u.s.w.

Was würden Sie als Ihre besondere Stärke bezeichnen?

Als besondere Stärke würde ich bezeichnen, dass es mir gelungen ist, durch fachlich-volkstümlichen Unterricht junge Leute zu begeisterten Organisten auszubilden, die in der Kirchengemeinde eine würdige Musik zum Gottesdienst spielen. Besonders stolz bin ich, dass aus diesem Unterricht zwei leitende Organisten hervor gegangen sind: Elisabeth Maranca aus Sailauf und Rudolf Hendel aus Goldbach.

Seit vielen, vielen Jahren hat die Kirchengemeinde Sailauf wieder einen eigenen Organisten durch Martin Mahlmeister, der strebsam seinen Weg machen wird.

Sie sind ein guter und strenger Lehrer. Wie viele Schüler haben Sie im Laufe der Jahre ausgebildet?

Im Laufe der Jahre habe ich 20 Schüler ausgebildet, die anschließend im Dienst der Kirche standen. Insgesamt waren es wesentlich mehr, aber leider ist aus ihnen nichts geworden, was die kirchenmusikalische Tätigkeit betrifft.

Die aktiven Schüler, nach Orten aufgeteilt, sind:

Norbert Meidhof                    Laufach

Irmgard Zentgraf                  

Hildegard Deppisch

Sonja Fuß

Wolfgang Polleichtner           Frohnhofen

Georg Polleichtner    

Michael Burger

Elisabeth Maranca                  Sailauf

Maria Reinhardt

Jochen Wöhlte

Pia Steigerwald

Martin Mahlmeister

Johannes Zieroff                    Eichenberg

Rudolf Hendel                       Goldbach

Gerold Fäth

Michael Schüßler

Alexander Dürr

Urban Bernhard

Gustav Brückner                    Unterafferbach

Zur Zeit in Ausbildung:

Felix Müller                            Eichenberg

Joshua Heinz                          Rottenberg

Simon Mahlmeister                Sailauf

Von den 20 Schülern stehen gegenwärtig noch 13 im Dienst der Kirche. Die anderen sind weggezogen oder haben aus Altersgründen aufgehört.

Zu allen Schülern und deren Familien bestehen heute noch nach wie vor zum Teil recht herzliche Kontakte. Denn man musste ja auch damals intensiv mit den Schülern und den Familien zusammenarbeiten.

Welche Voraussetzungen sollte ein angehender Orgelschüler mitbringen?

Ein angehender Orgelschüler muss eine gute elementare Klavierausbildung haben. Er sollte aus einer fundierten katholischen Familie kommen, denn von dort braucht er die Kraft und den Halt, alles durchzustehen. Vor allem muss er eine gehörige Portion Idealismus mitbringen.

Wie sehen Sie die Zukunft? Wird es genügend Organistennachwuchs geben?

Ich denke, auch in Zukunft wird es immer wieder jungen Organistennachwuchs geben. Dieser Boden ist zwar dünn gesät, aber es wird immer wieder Klavierspieler geben, die es auch zur Orgel hinzieht. Natürlich sollten auch Pfarrer und Kirchengemeinde rechtzeitig dafür sorgen, dass junge Leute für diesen Dienst gewonnen und ausgebildet werden können.

Verraten Sie uns bitte einige Anekdoten aus Ihrem Organistenleben!

Es war eine Orgelweihe in der evangelischen Kirche in Obernburg. Die Orgel selbst war ein mechanisches Instrument mit zwei Manualen. Insgesamt wirkten noch ein Chor und ein Orchester mit. Als Schüler der Musikschuldirektors aus Aschaffenburg Dr. Leucht hatte ich die große Ehre, die Einweihung spielen zu dürfen. Die Gesamtleitung hatte Dr. Leucht. Eröffnet wurde das Konzert mit einer fünfstimmigen Fantasie von J.S. Bach.

Dann wurde die Orgel vorgestellt mit der Partita: „Sei gegrüßet Jesu gütig“, von J.S. Bach. Anschließend folgte ein Orgelkonzert von G.F. Händel mit Orchester. Nun folgte eine Kantate für Orgel, Chor und Orchester von D. Buxtehude. Überraschend verließ Dr. Leucht das Dirigentenpult und kam zu mir – ich war damals erst 18 Jahre – an die Orgel. Er setzte sich dicht neben mich und sagte: „Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, dass Sie die Einleitung der Kantate alleine auf der Orgel spielen müssen. Keine Angst, ich bleibe solange bei Ihnen.“  Er zählte vor und schon ging’s los. Ich fühlte mich wie in Watte gepackt. Aber es hat geklappt!

Gab es auch Missgeschicke?

Ich erinnere mich an zwei Fälle: Einmal, es war an einem Weißen Sonntag, war mir der Gottesdienstbeginn um 9.30 Uhr mitgeteilt worden, aber im Nachhinein kurzfristig auf 9.00 Uhr vorverlegt worden, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen. Die Kinder mussten leider ohne Orgelmusik einziehen. Das zweite Missgeschick war bei einer Taufe die zur außergewöhnlichen Zeit sonntags auf 13.00 Uhr festgesetzt worden war. Durch die Konzentration auf ein anderes Vorhaben am Nachmittag, hatte ich den Tauftermin völlig vergessen. Ich hoffe, dass dieser Täufling auch ohne Orgelmusik ein guter Christ wird.

Was wünschen Sie sich als Organist von einer Kirchengemeinde?

Als Organist in einer Kirchengemeinde wünsche ich mir, dass die zurzeit bestehende Oberflächlichkeit im Glauben wieder zur Besinnung kommen möge. Dass der Sonntagvormittag eine Zeit ist, bei der jeder ordentliche Christ einen Gottesdienst besucht und dort bereitwillig Einsatz zeigt. Natürlich wünsche ich als Organist auch, dass die kirchenmusikalische Seite so gut ankommt, so dass der Kirchenbesucher sagt: „Ja, der Organist gestaltet eine ordentliche liturgische Feier, da gehe ich hin, da mache ich mit, da höre ich gerne zu.“ Wenn eine Gemeinde kräftig und schön singt, begleite ich den Gesang mit noch größerer Freude.

Welche Projekte würden Sie noch reizen?

Im Hinblick auf den weiteren Ausbau meines Könnens würden mich Kontakte zu Kirchenmusikern von größeren Kirchen, die evtl. auch kompositorisch tätig sind, schon sehr reizen. Solche Kontakte wären zum Ausbau der eigenen Tätigkeiten sicherlich sehr förderlich. Ein weiteres Projekt wäre ein Orgelkonzert, das zurzeit in Laufach in Planung ist.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Für die Zukunft wünsche ich mir weiterhin Gesundheit und Schaffenskraft, dass ich mein musikalisches Wissen und Können weitergeben kann. Meinem Schöpfer möchte ich bis in alle Ewigkeit danken, dass er mir die Gnade verliehen hat, ihn in den Gottesdiensten zur Ehre und zum Lobe, zusammen mit der Kirchengemeinde zu preisen. Ich hoffe, dass Gott mir die Kraft erhält, so dass ich Herrn Pfarrer König in der Pfarreiengemeinschaft weiterhin helfen kann.

Für die Zukunft wünsche ich mir auch, dass es immer gute Kirchenmusiker geben möge, denn die Kirchengemeinde soll mit Freude an den Gottesdiensten teilnehmen!

Lieber Herr Fuß, auch im Namen unserer Leser schließe ich mich Ihren Wünschen an und danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch. Bleiben Sie unserer Pfarrei erhalten!

Interview: Susanne Mahlmeister

20. August 2008

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