PG Vorspessart
Seit Aschermittwoch sind in unseren Kirchen violette Tücher angebracht, die den Blick auf Altäre bzw. ihre Bilder versperren. In St. Vitus sind in diesem Jahr erstmalig die Bilder am Hochaltar und den Seitenaltären zugehängt worden. Was es damit auf sich hat, erklärt Pfarrer Schüller.

Es sind eigentlich Hungertücher, die in der Fastenzeit in den Kirchen aufgehängt wurden und werden. Die Tradition Hungertücher aufzuhängen kommt aus dem Mittelalter. Damals wurden große Tücher im Chorraum der Kirche aufgehängt (oftmals am Lettner der Kirche). Auf diesen Tüchern waren Szenen aus dem Leben Christi und der Heiligen, aber und besonders Szenen aus der Passion aufgemalt. Diese sollten den Gläubigen vor Augen geführt werden und sie auf das hohe Osterfest vorbereiten.

vergrößernFastentuch in Eichenberg Martin Mahlmeister

Daraus entwickelte sich auch wahrscheinlich die Tradition der Flügelaltäre, die ja in der Fastenzeit meist geschlossen waren, zu Festen und Heiligengedenktagen "halb" geöffnet und an Hochfesten, also an Weihnachten und besonders Ostern ganz geöffnet waren. Wobei die ganz geöffneten Altäre sehr oft figürlich und sehr prächtig ausgestaltet wurden. In Krakau steht ein solch berühmter Flügelaltar in der Marktkirche, der von Veit Stoß ausgestaltet wurde.

Das Verändern des Erscheinungsbildes in der Kirche im Laufe des Kirchenjahres ist also schon uralt. Besonders aber die Barockzeit mit ihrer verspielten und sinnenfreudigen Ausgestaltung der Kirchen hat dem Glauben Ausdruck verleihen wollen. Denken wir nur an die großen heiligen Gräber, die ja nur für drei Tage in der Kirche standen und mit viel Aufwand und Detailgenauigkeit aufgebaut wurden.

Es wurden also seit dem Mittelalter meist bemalte Fasten- oder Hungertücher in der Kirche aufgehängt. Später, besonders in der Neuzeit ist man dazu übergegangen nur noch mit einfarbigen Tüchern die Altäre zu verhängen. Man interpretierte dieses Verhängen als "Fasten" für die Augen. Der Kirchenschmuck, die Blumen und Grünpflanzen aber auch der barocke Glanz der Altäre soll soweit als möglich verdeckt und somit zurückgenommen werden. Oft ist es ja so, dass man sich besser konzentrieren kann, wenn man nicht abgelenkt wird.

Die Kreuze werden interessanterweise erst am 5. Fastensonntag violett verhüllt. Am Gründonnerstag, nur für die Liturgie des hohen Donnerstages werden sie weiß verhüllt.
Das kommt aus der Tradition die Kreuze dem Blick des Betrachters zu entziehen. Das scheint für uns etwas seltsam, denn gerade am 5. Fastensonntag, am sogenannten Passionssonntag beginnt die Passionszeit, das Gedächtnis an das Leiden Christi.

Man muss, um diese Tradition verstehen zu können in der Geschichte weit zurückgehen.
Christus am Kreuz leidend darzustellen war im Urchristentum nicht üblich. Das Kreuz war ein Schandpfahl, ein Marterwerkzeug, ein Hinrichtungsinstrument. Es wurden im Umfeld des frühen Christentums immer noch Menschen, besonders Christen so hingerichtet. Damit wollte man sich nicht identifizieren. Man wählte als Symbol den Fisch, den Pfau, den Schmetterling, den guten Hirten oder das Lamm. Erst später im Frühmittelalter wurde das Kreuz als Symbol des Christentums in die dann auch entstandenen ersten Kirchen gestellt. Jedoch waren diese Kreuz oftmals leer, also ohne figürliche Darstellung.

vergrößernFastentuch in Feldkahl Christian Seitz

Jesus Christus am Kreuz hängend darzustellen kam wiederum später, aber auch nicht der schmerzhafte, leidende Christus war es, sondern der triumphierende, auferstandene, königliche Christus. Stehend mit ausgebreiteten Armen, gekleidet wie ein Kaiser mit einer Krone auf dem Kopf und geöffneten Augen. So wurde der Gekreuzigte dargestellt. Und diese Darstellung passt nicht in die Passionszeit, in die Zeit des leidenden und geschundenen Christus. Deshalb wurden diese Kreuze verhüllt, um dann am Karfreitag enthüllt zu werden und Christus als den Sieger über das Kreuz den Menschen zu zeigen.

Die Darstellung des leidenden Christus haben wir dem heiligen Franziskus und seiner Bewegung, den Franziskanern zu verdanken. Er hat besonders die Darstellung des Leidens Christi in die Mitte seiner Spiritualität gestellt. Die leidende von Krankheit und Marter gezeichnete Kreatur und der mitleidende Gott, der selbst gelitten hat, waren für Franziskus so wichtig und er verinnerlichte sie so sehr, dass er die Zeichen, die Stigmata selbst an seinem Körper getragen hat. Übrigens ist es bis heute den Franziskanern vorbehalten, Kreuzwegstationen einzuweihen. Denn die Tradition 14 Kreuzwegstationen aufzustellen kommt aus der franziskanischen Leidensmystik.

Das Verhüllen und das feierliche Enthüllen des Kreuzes hat also eine sehr alte Tradition, ebenso das Verhüllen der Altäre. Eine Tradition, die vielleicht von vielen nicht mehr verstanden wird, die aber durch ihre Radikalität fragen lässt, warum?
Und es ist eine Tradition, die jedem zeigt, dass etwas Besonderes ansteht.

Uwe Schüller, Pfarrer

 

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