PG Vorspessart

Pfarrer Reuter wendet sich in einem geistlichen Wort an alle Mitglieder der Pfarreiengemeinschaft. Darin plädiert er dafür, coronabedingt noch keine Prozessionen, Wallfahrten und Freiluftgottesdienste abzuhalten.

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben, Theater- und Kinobetrieb, Sportstätten und Schwimmbäder, Gastwirtschaften und Cafés müssen auf-grund der immer noch grassierenden Corona-Pandemie seit Monaten geschlossen bleiben, obgleich auch hier kluge Hygienekonzepte ausgearbeitet wurden. Nur diese wenigen Beispiele zeigen, dass uns als Kirchen und Religionsgemeinschaften mit der Zulassung von öffentlichen Gottesdiensten ein Sonderrecht eingeräumt ist, mit dem wir deshalb umso verantwortungsbewusster umzugehen haben.

Mit großem Befremden habe ich in diesem Zusammenhang die Meldung zur Kenntnis genommen, dass seitens der bayerischen Staatsregierung nun wieder Wallfahrten und Prozessionen möglich sind. Eine entsprechende Nachricht konnten Sie in der Main-Echo-Ausgabe vom Donnerstag, 29. April, Seite 21 lesen: »Generalvikar Jürgen Vorndran hat [daraufhin] das allgemeine Verbot von Wallfahrten und Prozessionen im Bistum Würzburg mit sofortiger Wirkung aufgehoben. (…) Voraussetzung für Wallfahrten und Prozessionen sind die geltenden Sicherheitsmaßnahmen.« Was diese Pressemitteilung im Einzelnen nicht wiedergibt, sind die hierzu geltenden Maßgaben des Infektionsschutzes.

Damit Anfragen nach Gottesdiensten im Freien, nach Bittgängen und Fronleichnams- prozessionen in den Pfarrämtern oder bei Pfarrgemeinderätinnen und –räten nicht ins Kraut schießen, möchte ich Ihnen die notwendigen Rahmenbedingungen zur Kenntnis bringen:

1. Das Areal, in dem die Gottesdienst- oder Prozessionsteilnehmenden sich versammeln, soll klar umrissen und entsprechend gekennzeichnet sein. Die Höchstzahl der Mitfeiernden (nicht über 100 Personen) richtet sich danach, wie viele sich unter Einhaltung des Mindestabstands von 1,50 m in diesem Areal aufhalten können.

2. Für die Feier von Gottesdiensten im Freien, für Wallfahrten und Prozessionen ist eine Genehmigung der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) mit Vorlage eines hierzu zu erstellenden Hygienekonzepts einzuholen.

3. Aufrechterhalten ist für Freiluftgottesdienste sowie jetzt auch für Wallfahrten und Prozessionen die Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske ab dem 15. Lebensjahr, Alltagsmaske oder einfache medizinische Maske ab dem 6. Lebensjahr und das Verbot des Gemeindegesangs.

4. Es können bis zu zehn Blasmusiker unter Einhaltung des Mindestabstands von 2,00 m und zum Dirigenten von 4,00 m eingesetzt werden.

5. Die vorgeschriebenen Mindestabstände müssen auch während des festgelegten Prozessionsverlaufes (Ort der Aufstellung, der Auflösung, Wegstrecke, Orte der Stationen) in jedem Fall eingehalten werden. Um dies zu gewährleisten, sind Maßnahmen (z. B. Ordnungsdienste) zu ergreifen, die den Zulauf durch Personen unterwegs oder am Ort des Freiluftgottesdienstes vermeiden.

6. Zusätzlich gelten für Gottesdienste im Freien die gleichen Vorgaben wie für die Feier im Kirchenraum: klar gekennzeichnete Ein- und Ausgänge, Einbahnstraßenregelung (z. B. beim Kommunionempfang) oder das Vermeiden von Übersteigen eines fremden Hausstandes am Platz.

Das Liturgiereferat rät dazu, grundsätzlich zu prüfen, welche Formen im Rahmen der einzuhaltenden Schutzmaßnahmen sinnvoll gefeiert werden können. Deshalb habe ich in meiner Verantwortung als Pfarrer für die Pfarreiengemeinschaft Laufachtal und St. Vitus im Vorspessart entschieden, derzeit auf Gottesdienste (z. B. Andachten) an Grotten, Flurkapellen oder Bildstöcken sowie Bittgänge und Fronleichnamsprozessionen zu verzichten. Der Nutzen für das »Heil der Seelen« steht meines Erachtens in keinem rechten Verhältnis zu den zu ergreifenden Maßnahmen zum Infektionsschutz, solange uns Kirchenräume mit erprobtem Hygienekonzept zur Verfügung stehen, die die »Masse« an Teilnehmenden aufnehmen können!

Ich möchte mit einem Text schließen, der den Titel »Inkonsequent« trägt: »Frag hundert Katholiken, was das wichtigste ist in der Kirche. Sie werden antworten: Die Messe. / Frag hundert Katholiken, was das wichtigste ist in der Messe. Sie werden antworten: Die Wandlung. / Sag hundert Katholiken, dass das wichtigste in der Kirche die Wandlung ist. Sie werden empört sein: Nein, alles soll bleiben wie es ist!« – Ich möchte Sie mit diesen Gedanken von Lothar Zenetti dazu einladen, für sich nachzudenken, was in Zeiten einer Pandemie Ihnen für unser Glaubensleben am wichtigsten erscheint: Ist es die bei vielen vorherrschende Meinung, die durch staatliche Lockerungen noch genährt wird, dass langsam alles wieder zum (Alt-)Gewohnten zurückkehren soll? Oder ist es etwa die gewonnene Einsicht, einen anderen Standpunkt einzunehmen, um das eigene Blickfeld zu weiten, und das persönliche Glaubensleben dahingehend zu prüfen, inwieweit es mich aufmerksam sein lässt für die geistgewirkten Veränderungen in Kirche und Welt, um ihnen mit Zuversicht und Gottvertrauen zu begegnen? – Ich bin überzeugt, diese Offenheit des Herzens ist weitaus zielführender als derzeit die Frage nach einer »Glaubensdemonstration« in Form von Freiluftgottesdiensten, Wallfahrten und Prozessionen.

Du führst mich hinaus ins Weite, du machst meine Finsternis hell (vgl. Psalm 18, 20.29). Halte Gott seine gütige Hand über uns und alle, die sich in dieser Zeit nach einem spürbaren Zeichen seiner heilsamen Nähe sehnen!

Für das Seelsorgeteam

Ihr Andreas Reuter, Pfarrer

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